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Dienstunfähigkeit einer Richterin / vermutete Dienstunfähigkeit nach längerer Krankheit

Nicht jedem Richter und jeder Richterin ist eine so lange Amtszeit vergönnt wie der verehrten Frau Ruth Bader Ginsburg, die allerdings auch unter ganz anderen rechtlichen Rahmenbedingungen arbeitete als unsere deutschen Richter und Richterinnen.

Die Richtergesetze der Bundesrepublik und der Bundesländer verweisen in vielerlei Hinsicht auf die Beamtengesetze. Dies gilt im Grundsatz auch für Fragen der Dienstunfähigkeit, die bisweilen zur Beendigung der richterlichen Tätigkeit führt. Das materielle Recht (wann ist von Dienstunfähigkeit auszugehen?) ist im Richterdienstrecht und im Beamtenrecht praktisch identisch.
Wenn der Richter einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand aber nicht zustimmt, dann sind die Abläufe gänzlich andere als im Beamtenrecht.

Der Dienstherr muss dann die Zustimmung des Richterdienstgerichts zur vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand einholen.
Die Richterdienstgerichte sind bei den Zivilgerichten (Landgericht, OLG) eingerichtet, der Rechtszug führt bis zum BGH.
Das sind langwierige und bisweilen recht komplizierte Verfahren, die wichtig sind, weil sie dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit dienen.

Die nachfolgende Entscheidung bringt leider wenig Wissenswertes über die besonderen prozessualen Abläufe in der Richterdienstgerichtsbarkeit, da sie sich nahezu ausschließlich mit materiell-rechtlichen Fragen befasst. Am Ende unter cc) ist aber zumindest ersichtlich, dass das Verfahrensrecht der VwGO zu entnehmen ist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.12.10, - RiZ [R] 2/10 -

Ein Richter auf Lebenszeit im Landesdienst des Freistaats Sachsen kann nach § 71 DRiG, § 26 Abs. 1 BeamtStG, § 52 SächsBG gegen seinen Willen wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden, wenn er innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate infolge Erkrankung keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass seine Dienstfähigkeit innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll hergestellt ist.

Diese Voraussetzungen sind nicht nur dann erfüllt, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Dienstgerichts mit Sicherheit feststeht, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate unmöglich ist. Es genügt, dass die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit innerhalb dieser Zeitspanne nicht zu erwarten steht, sondern unwahrscheinlich ist und mit ihr nicht gerechnet werden kann.

Dies ist anhand einer auf konkreten Tatsachen beruhenden Prognose zu beurteilen.


1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist.
Nach § 52 SächsBG beträgt die in § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG genannte Frist sechs Monate. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, § 52 SächsBG entspricht der für Bundesbeamte - und Richter im Bundesdienst (§ 34 Satz 1 DRiG) - geltenden Regelung in § 42 Abs. 1 Satz 2 BBG.
§ 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG ist eine die Grundregel des Satzes 1 ergänzende Zusatzregelung, mit deren Hilfe die Feststellung der Dienstunfähigkeit im Einzelfall erleichtert werden kann.

Der Begriff der Dienstunfähigkeit stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht allein auf die Person des Beamten ab, vielmehr sind die Auswirkungen seiner Erkrankung oder Gebrechen auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb entscheidend. Es kommt dabei nicht allein und ausschlaggebend auf Art und Ausmaß der einzelnen Gebrechen, den objektiven ärztlichen Befund und dessen medizinische Qualifikation als solche an, sondern vielmehr darauf, ob der Beamte aufgrund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Aus diesem Grund stellt die ärztliche Begutachtung nicht das einzige und allein ausschlaggebende Beweismittel für die Klärung der Frage der Dienstunfähigkeit dar.

2. Danach hat das Dienstgericht zu Recht angenommen, dass die Antragsgegnerin dienstunfähig ist. Sie ist nach den Feststellungen des Dienstgerichts zwar nicht dienstunfähig i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, da nicht auszuschließen ist, dass sie irgendwann in der Zukunft ihre Dienstfähigkeit wieder erlangen wird. Die Antragsgegnerin ist jedoch nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, § 52 SächsBG als dienstunfähig anzusehen.
Sie hat innerhalb der letzten sechs Monate vor der Entscheidung des Dienstgerichts mehr als drei Monate infolge Erkrankung keinen Dienst getan. Die Würdigung des Dienstgerichts, dass keine Aussicht auf Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate bestand, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Dienstgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, § 52 SächsBG im Zeitpunkt der Entscheidung des Dienstgerichts nicht mit absoluter Gewissheit feststehen muss, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb weiterer sechs Monate unmöglich ist. Es genügt vielmehr, wenn dies aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann. Davon ist das Dienstgericht im Falle der Antragsgegnerin zutreffend ausgegangen. Das Dienstgericht hat weder die ihm obliegende Aufklärungspflicht noch den Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

a) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, § 52 SächsBG erfordert nicht, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Dienstgerichts feststeht, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate unmöglich ist. Es genügt vielmehr, wenn hiervon aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände mit hinreichender Sicherheit ausgegangen werden kann. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG sowie aus Sinn und Zweck der Vorschriften über die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.

aa) § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG spricht nicht davon, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb weiterer sechs Monate ausgeschlossen oder unmöglich sein muss, sondern dass hierauf keine Aussicht bestehen darf. Unter dem Begriff "Aussicht" ist nach allgemeinem Sprachgebrauch die begründete Hoffnung oder wahrscheinliche Zukunft zu verstehen (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch). Aussicht auf etwas haben bedeutet, etwas erwarten lassen, damit rechnen können, auf etwas begründete Hoffnung haben (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache). Erforderlich ist daher nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb von sechs Monaten nicht zu erwarten steht, sondern unwahrscheinlich ist und mit ihr nicht gerechnet werden kann. Diese Beurteilung erfordert eine anhand konkreter tatsächlicher Umstände zu treffende Prognose.

bb) Dieses Verständnis entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die von dem Beamten oder Richter nicht beantragte Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit unter Berücksichtigung der in § 29 BeamtStG vorgesehenen Möglichkeit, ihn bei Wiederherstellung der Dienstfähigkeit erneut in das Beamten- oder Richterverhältnis zu berufen. Diese Regelungen schaffen einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen des Dienstherrn und der Allgemeinheit einerseits und des Beamten oder Richters andererseits. Im Interesse des Dienstherrn und der Allgemeinheit liegt es zum einen, finanzielle Belastungen des Haushalts durch vorzeitige Zurruhesetzungen möglichst zu vermeiden, zum anderen, eine effiziente, von vermeidbaren Störungen freie Arbeit der Verwaltung oder der Gerichtsbarkeit zu gewährleisten. Bei einem auf die zu erledigenden Aufgaben zugeschnittenen Personalbestand haben dauernde oder sich ständig wiederholende Ausfallzeiten längere Bearbeitungszeiten zu Lasten der Bürger zur Folge, die durch Mehrarbeit der anderen Mitarbeiter auf Dauer nicht ausgeglichen werden können. Der betroffene Beamte oder Richter hat demgegenüber aus persönlichen und finanziellen Gründen ein Interesse am Verbleib im aktiven Dienst, aber auch an der Beachtung seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit (BVerwG 16.10.1997 - 2 C 7/97 - BVerwGE 105, 267). Diese gegensätzlichen Interessen werden dadurch ausgeglichen, dass Beamte und Richter, die ihre Dienstpflichten aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr erfüllen können oder die bereits längere Zeit wegen Erkrankung keinen Dienst mehr getan haben und bei denen mit einer Genesung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist, auch gegen ihren Willen in den Ruhestand versetzt und bei der späteren Wiedererlangung ihrer Dienstfähigkeit reaktiviert werden können. Dieses gesetzgeberische Anliegen würde weitgehend leerlaufen, wenn eine Versetzung in den Ruhestand voraussetzte, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit entweder dauerhaft (§ 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) oder innerhalb der nächsten sechs Monate (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, § 52 SächsBG) mit absoluter Gewissheit ausgeschlossen ist. Jeder in die Zukunft gerichteten Beurteilung haftet eine Ungewissheit an. Es wird deshalb nur in wenigen Ausnahmefällen mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden können, dass ein erkrankter Beamter oder Richter auf Dauer oder innerhalb der nächsten sechs Monate seine Dienstfähigkeit wiedererlangen wird. Dass eine derartige Sicherheit für die Feststellung der dauerhaften Dienstunfähigkeit i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG nicht erforderlich ist, ergibt sich bereits aus der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der späteren Reaktivierung bei Wiedererlangung der Dienstfähigkeit. Zur Feststellung der Dienstunfähigkeit nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG genügt daher zweifellos die Prognose, dass eine Wiedererlangung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist (vgl. hierzu Reich BeamtStG § 26 Rn. 8). Entsprechendes gilt für die Versetzung in den Ruhestand nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, § 52 SächsBG. Dem Interesse des Beamten oder Richters, im Falle der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit weiterbeschäftigt zu werden, trägt die in § 29 BeamtStG vorgesehene Reaktivierungsmöglichkeit Rechnung.

b) Nach diesen Grundsätzen ist das Dienstgericht ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragsgegnerin nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, § 52 SächsBG als dienstunfähig anzusehen ist.

aa) Das Dienstgericht hat angenommen, § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verlange nicht, dass die Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit aussichtslos i.S.v. unmöglich sei. Eine Versetzung in den Ruhestand sei bereits dann zulässig, wenn nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit spreche, die über eine bloße Hoffnung hinausgehe. Damit ist das Dienstgericht von dem zutreffenden Begriff der Dienstunfähigkeit i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG ausgegangen.

bb) Das Dienstgericht ist unter Berücksichtigung von Art und Dauer der Erkrankung der Antragsgegnerin, des Krankheitsverlaufs sowie der amtsärztlichen Stellungnahmen und der Angaben des als sachverständigen Zeugen vernommenen behandelnden Arztes der Antragsgegnerin ... zu dem Ergebnis gelangt, dass im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit der Antragsgegnerin innerhalb der nächsten sechs Monate unwahrscheinlich war und hierauf allenfalls eine vage Hoffnung bestand. Diese Würdigung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Das Dienstgericht ist bei seiner Entscheidung im Wesentlichen von den Angaben der Amtsärztin in der mündlichen Verhandlung und in deren schriftlichen Stellungnahmen vom 24.10.08 nebst Ergänzungen vom ... ausgegangen und hat diese umfassend gewürdigt. Die schriftlichen Stellungnahmen wurden jeweils nach einer Untersuchung der Antragsgegnerin und einer psychiatrischen Exploration erstellt und gelangten zu dem Ergebnis, dass aus medizinischer Sicht mit hoher Wahrscheinlichkeit die volle Dienstfähigkeit nicht innerhalb von sechs Monaten ab dem Untersuchungsdatum wiederhergestellt sein werde. Nach der Einschätzung der Amtsärztin in der mündlichen Verhandlung war eine grundlegende Änderung auch zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten. Die Amtsärztin hatte die Antragsgegnerin zwar seit dem 28.05.09 nicht mehr untersucht. Gleichwohl ist es nicht zu beanstanden, dass sich das Dienstgericht der Bewertung der Amtsärztin angeschlossen hat, da diese ihre Einschätzung in der mündlichen Verhandlung in Kenntnis der Angaben des von dem Dienstgericht zuvor als sachverständigen Zeugen vernommenen behandelnden Arztes Dr. K. zu dem aktuellen Gesundheitszustand der Antragsgegnerin und der seinerzeit stattfindenden Therapie abgegeben hat.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hat das Dienstgericht die Angaben des Zeugen Dr. K. nicht übergangen oder sich hierüber grundlos hinweggesetzt. Das Dienstgericht hat dessen Ausführungen vielmehr berücksichtigt, aber nicht als ausreichend erachtet für die Annahme, dass für eine Wiedererlangung der Dienstfähigkeit der Antragsgegnerin innerhalb von sechs Monaten mehr als eine vage Hoffnung bestand.
Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Dienstgericht geäußerte Einschätzung des Zeugen, es sei von einer 50 %igen Chance zur Wiedererlangung der Dienstfähigkeit der Antragsgegnerin innerhalb von sechs Monaten auszugehen, hat das Dienstgericht angesichts der seit drei Jahren andauernden Erkrankung der Antragsgegnerin bei seit acht Monaten gleich bleibender Medikation und Therapie zu Recht für nicht nachvollziehbar gehalten. Das Dienstgericht hat auch die Ausführungen des Zeugen, nach seiner klinischen Erfahrung könne es durchaus möglich sein, dass sich der Gesundheitszustand bei einer Depression gleichsam wie beim "Umlegen eines Schalters" wieder bessere und eine spontane Genesung eintrete, berücksichtigt, sie allerdings nicht für geeignet erachtet, um mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb von sechs Monaten ausgehen zu können. Dies hat das Dienstgericht damit begründet, dass der Zeuge selbst bekundet hatte, hierzu keine konkrete Vorhersage treffen zu können, mit längerer Dauer der Erkrankung werde die Wahrscheinlichkeit einer derartigen spontanen Genesung eher geringer. Unter Berücksichtigung der bereits seit drei Jahren bestehenden Erkrankung der Antragsgegnerin überzeugt die Annahme des Dienstgerichts, ein derartiger Genesungsverlauf erscheine rein spekulativ und begründe nicht mehr als eine bloße Hoffnung, aber keine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate.

cc) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hat das Dienstgericht die ihm nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SächsRiG, § 86 VwGO obliegende Aufklärungspflicht nicht verletzt. Das Dienstgericht war nicht gehalten, ein weiteres Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand der Antragsgegnerin einzuholen.

(1) Das Tatsachengericht bestimmt die Art der Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner nach § 86 VwGO bestehenden Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen nach seinem Ermessen. Das gilt auch für die Frage, ob es die Einholung eines weiteren Gutachtens oder die Ergänzung vorhandener Gutachten für erforderlich hält. Die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil die vorliegenden Gutachten den ihnen obliegenden Zweck nicht erfüllen können, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Dies kann der Fall sein, wenn die dem Gericht vorliegenden Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (vgl. etwa BVerwG 05.10.1993 - 2 B 129/93 -).

(2) Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Dienstgericht zur Ermittlung der für seine Entscheidung erforderlichen Tatsachen auf die schriftlichen Stellungnahmen der Amtsärztin Dr. D. , deren Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung und die Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. K. beschränkt hat. Es ist nicht ersichtlich und von der Antragsgegnerin nicht dargelegt, dass die Stellungnahmen von Dr. D. grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufwiesen. Die schriftlichen Stellungnahmen sind zwar sehr kurz gehalten. Dr. D. hat ihre Beurteilung jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Dienstgericht erläutert. Der Umstand, dass Dr. D. in ihrer Stellungnahme vom 24.10.08 zu dem Ergebnis gelangt war, mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit der Antragsgegnerin innerhalb der nächsten sechs Monate sei "eher nicht" zu rechnen und dass sie dies auf eine entsprechende Nachfrage des Ermittlungsführers am 15.01.09 dahingehend berichtigt hat, damit sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit" nicht zu rechnen, stellt ihre Begutachtung nicht in Frage. Darin liegt kein unlösbarer Widerspruch, zumal Dr. D. die zuletzt getroffene Prognose in ihrer weiteren Stellungnahme vom 28.05.09 wiederholt hat und sich beide Prognosen im Nachhinein bestätigt haben. Deshalb bestand für das Dienstgericht auch im Hinblick auf die angesichts der lang andauernden Erkrankung der Antragsgegnerin von ihm als nicht fundiert erachteten Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. K. keine zwingende Veranlassung zur Einholung eines weiteren Gutachtens. Hierzu war das Dienstgericht auch deshalb nicht verpflichtet, weil die in der mündlichen Verhandlung vor dem Dienstgericht durch einen Richter vertretene Antragsgegnerin dies nicht beantragt hatte (vgl. zur Vertretung durch einen Rechtsanwalt: BVerwG 05.10.1993 - 2 B 129/93 - aaO). Sie hatte sich vielmehr zuvor mit ihren Schriftsätzen ausdrücklich gegen die Beauftragung eines weiteren Sachverständigen ausgesprochen, nachdem die Berichterstatterin des Dienstgerichts die Einholung eines zusätzlichen Gutachtens erwogen hatte.

dd) Das Dienstgericht hat entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt.
Die Antragsgegnerin rügt insoweit, bei dem Urteil des Dienstgerichts handle es sich um eine Überraschungsentscheidung, da sie wegen fehlender richterlicher Hinweise zu den vom Dienstgericht als entscheidungserheblich angesehenen Tatsachen und Rechtsansichten nicht habe Stellung nehmen können. Dabei übersieht sie jedoch zum einen, dass das Gericht weder nach § 86 Abs. 3 VwGO, noch nach § 108 Abs. 2 VwGO, noch nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet ist, vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen. Die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich erst aufgrund der abschließenden Beratung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerwG 15.08.03 - 1 B 107/03 -). Zum anderen hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt, zu welchen konkreten Gesichtspunkten ihr wegen unterbliebener Hinweise des Dienstgerichts eine Stellungnahme nicht möglich gewesen sei, welche Stellungnahme sie im Falle eines gerichtlichen Hinweises abgegeben und dass das Dienstgericht bei Berücksichtigung ihres Vorbringens möglicherweise eine für sie günstigere Entscheidung getroffen hätte.
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Dienstunfähigkeit / Übersicht
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