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Höherwertige Beschäftigung gegen den Willen des Beamten


Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 19.05.16 zu der Frage Stellung genommen, ob eine amtsangemessene Beschäftigung dann gegeben ist, wenn einer Beamtin / einem Beamten eine höherwertige Tätigkeit zugewiesen wird.
Das haben wir alle über lange Zeit als richtig und rechtmäßig angesehen, bis uns das Bundesverwaltungsgericht jetzt eines anderen belehrt hat.
Beachten Sie aber bitte, dass es in der Entscheidung um die dauerhafte Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit geht.
Vertretungsregelungen sind nicht ausgeschlossen.

Bundesverwaltungsgericht 2 C 14.15, Urteil vom 19.05.16
(zuvor OVG Berlin-Brandenburg 7 B 32.14; VG Potsdam 2 K 1814/12)

Am 19.05.16 hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Sache verhandelt, in der es um die Zulässigkeit der Beschäftigung in einer höherwertigen Funktion ging. Das Gericht teilt in seiner Pressemitteilung mit:

Klage einer Beamtin gegen die dauerhafte Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit bei einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG erfolgreich

Ein Beamter kann verlangen, dass ihm nicht dauerhaft eine seinem Statusamt nicht entsprechende höherwertige Tätigkeit bei einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG zugewiesen wird.

Die Klägerin ist Beamtin der beklagten Bundesrepublik Deutschland. Sie hat das Statusamt einer Fernmeldeobersekretärin im mittleren nichttechnischen Dienst (Besoldungsgruppe A7 BBesO) inne. Mit der Privatisierung der Deutschen Bundespost im Jahr 1995 wurde die Klägerin der Deutschen Telekom AG zugeordnet. Im Jahr 2004 wurde sie zur Organisationseinheit Vivento der Deutschen Telekom AG versetzt. Im Mai 2011 wies die Deutsche Telekom AG der Klägerin dauerhaft eine entsprechend der Besoldungsgruppe A9 bewertete Tätigkeit als "Sachbearbeiter Backoffice" bei dem Tochterunternehmen Vivento Customer Services GmbH (VCS) zu. Die Vorinstanzen haben entschieden, dass diese Zuweisung die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin ist entgegen § 4 Abs. 4 Satz 2 des Postpersonalrechtsgesetzes (PostPersRG, Fassung 2009) keine ihrem Amt entsprechende Tätigkeit zugewiesen worden. Sie soll eine Tätigkeit ausüben, die der Besoldungsgruppe A9 zuzuordnen ist; die Klägerin hat aber lediglich ein Statusamt der Besoldungsgruppe A7 inne.

Dem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung widerspricht nicht nur eine unterwertige Beschäftigung eines Beamten, sondern - grundsätzlich, vorbehaltlich gesetzlich normierter verfassungskonformer Ausnahmen - auch eine dauerhafte Beschäftigung auf einem höherwertigen Dienst- bzw. Arbeitsposten.

Für den im Streitfall maßgeblichen Bereich der Postnachfolgeunternehmen fehlt es an einer gesetzlichen Bestimmung, dass - und ggf. unter welchen Voraussetzungen - ein Einsatz auf einem höherwertigen Dienst- bzw. Arbeitsposten zulässig sein soll, wie dies etwa für den Bereich des Bundesbeamtengesetzes bei einer Abordnung (§ 27 Abs. 2 und 3) und Versetzung (§ 28 Abs. 2 und 3) normiert ist (z.B. nur mit Zustimmung des Beamten, für eine gewisse Dauer oder bei Zumutbarkeit).
Der Streitfall betraf auch keinen Fall der sog. Dienstpostenbündelung (vgl. § 8 Satz 2 PostPersRG, § 18 Satz 2 BBesG), die in den vom Bundesverfassungsgericht (im Beschluss vom 16.12.15 - 2 BvR 1958/13 - ZBR 2016, 128) für zulässig erklärten Grenzen einen Einsatz von Beamten auf einem Dienstposten ermöglicht, der mehreren Ämtern zugeordnet ist.

§ 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 PostPersRG in der im Streitfall maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 05.02.09 (BGBl. I S. 160) lauten:
§ 4 Beamtenrechtliche Regelungen
(4) Dem Beamten kann mit seiner Zustimmung vorübergehend eine Tätigkeit bei einem Unternehmen zugewiesen werden, wenn die Aktiengesellschaft, bei der er beschäftigt ist, hieran ein dringendes betriebliches oder personalwirtschaftliches Interesse hat. Eine dauerhafte Zuweisung einer dem Amt entsprechenden Tätigkeit auch ohne Zustimmung des Beamten ist zulässig bei Unternehmen, deren Anteile ganz oder mehrheitlich der Aktiengesellschaft gehören, bei der der Beamte beschäftigt ist, wenn die Aktiengesellschaft hieran ein dringendes betriebliches oder personalwirtschaftliches Interesse hat und die Zuweisung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar ist.


Vergleichen Sie zu diesen Fragen ggf. auch den Aufsatz "Vorübergehend höherwertige Beschäftigung von Beamten" von Prof. Dr. Stefan Stehle und Prof. Dr. Gabi Meissner in VBlVW 2018, 447 ff.
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Amtsangemessene Tätigkeit

Grundlagen Einleitung statusrechtliches Amt Stellenbündelung Ausnahme § 26 BeaStatG Anspruch geltend machen Dienstpostenbewertung
Rechtsprechung zur amtsangemessenen Beschäftigung Funktionsamt bei Telekom? Berlin 2008: Stellenpoolurteil BVerwG 2006: Vivento BVerwG 2008: Vivento BVerwG 2011: Post Vivento: OVG Hamburg OVG Koblenz: Bahnbeamte VG Hannover: Bahnbeamte