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Beamtenrecht / Urteil Bundesverwaltungsgericht: amtsangemessene Beschäftigung

Das Bundesverwaltungsgericht hat ein disziplinarrechtliches Verfahren zum Anlass genommen, zwei Jahre nach seiner ersten entsprechenden Entscheidung noch einmal deutliche Worte zum Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung zu formulieren.
Der Beamte hat einen Anspruch darauf, amtsangemessen beschäftigt zu werden. Er kann nicht darauf verwiesen werden, dass er selbst sich auf freie Stellen bewerben solle.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18.09.08, 2 C 126.07

Die Deutsche Telekom AG muss den verfassungsrechtlichen Anspruch eines bei ihr tätigen Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung erfüllen, sobald ihn der Beamte geltend macht.
Es verstößt gegen Art. 33 V GG, den Beamten stattdessen aufzufordern, sich auf freie Stellen zu bewerben.

Hier nur ein Auszug:

2. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger durch seine Weigerung, den Bewerbungsaufforderungen Folge zu leisten, keine Dienstpflichten verletzt hat. Die schriftliche Missbilligung verletzt ihn in seinen Rechten; die Unterlagen hierüber sind gemäß § 90e Abs. 1 Nr. 1 BBG aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten.

a) Aus der allgemeinen Pflicht zum vollen beruflichen Einsatz gemäß § 54 Satz 1 BBG ergibt sich keine Bewerbungspflicht des Klägers. Die Regelungen in Nummer 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 22.04.05, wonach sich die Vivento zugewiesenen Beamten aktiv an der Vermittlung auf einen Dauerarbeitsplatz beteiligen und Bewerbungen abgeben, binden jedenfalls diejenigen Beamten nicht, die wie der Kläger ihren Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung geltend gemacht haben. Nach diesem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG können Beamte, die Inhaber eines Amtes im statusrechtlichen Sinne sind, vom Dienstherrn verlangen, dass ihnen Funktionsämter, nämlich ein abstrakt-funktionelles und ein konkret-funktionelles Amt übertragen werden, deren Wertigkeit ihrem Amt im statusrechtlichen Sinne entspricht.

Das Amt im abstrakt-funktionellen Sinne umfasst den Kreis der bei einer Behörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, die einem Amt im statusrechtlichen Sinn zugeordnet sind. Es wird dem Beamten durch gesonderte Verfügung übertragen. Dadurch wird er in die Behörde eingegliedert und erwirbt den Anspruch auf Übertragung eines amtsangemessenen Dienstpostens, d.h. eines Amtes im konkret-funktionellen Sinn. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung dieser Ämterstellung durch Art. 33 Abs. 5 GG soll die dem Berufsbeamtentum obliegende Aufgabe erleichtern, eine stabile, gesetzestreue Verwaltung sicherzustellen und auf diese Weise als ausgleichender Faktor im politischen Kräftespiel zu wirken.

Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG gelten uneingeschränkt auch für diejenigen Beamten, die einem Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost zur Dienstleistung zugewiesen sind. gemäß Art. 143 b GG müssen diese Unternehmen bei Ausübung der Dienstherrenbefugnisse die Rechtsstellung der Beamten, d.h. die sich aus ihrem Status ergebenden Rechte, wahren (Urteile vom 20.08.1996 BVerwGE 103, 375 <377> und vom 22.06.06 a.a.O. S. 185 f.).

Wie der Senat bereits in dem zu Vivento ergangenen Urteil vom 22.06.06 dargelegt hat, verstößt es gegen Art. 33 Abs. 5 GG, Beamten die bisherigen Funktionsämter zu entziehen, ohne ihnen eine andere, ihrem Status entsprechende Ämterstellung zu übertragen. Daher dürfen Beamte keiner Behörde zugewiesen werden, deren Zweck sich darin erschöpft, sie auf unbestimmte Zeit für Qualifizierungsmaßnahmen und vorübergehende Einsätze heranzuziehen. Bei einer solchen Behörde können die Ansprüche auf amtsangemessene Beschäftigung nicht erfüllt werden, weil sie nicht über die hierfür erforderlichen Funktionsämter verfügt. Vorübergehende Tätigkeiten der Beamten bei anderen Behörden stellen keine amtsangemessenen Beschäftigungen dar, weil ihnen dort kein Amt im abstrakt-funktionellen Sinn übertragen wird. Sie werden nicht dauerhaft in diese Behörde eingegliedert, sondern fallen nach Ende ihrer Tätigkeit in den Zustand des Wartens und Bereithaltens bei ihrer Stammbehörde zurück.

Der Bundesgesetzgeber hat den sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Anforderungen Rechnung getragen. Das Postpersonalrechtsgesetz PostPersRG enthält keine Regelung, die es gestattet, Beamte, deren Tätigkeitsbereich durch Rationalisierungs- oder Umstrukturierungsmaßnahmen weggefallen ist, auf unbestimmte Zeit nicht mehr amtsangemessen zu beschäftigen. Vielmehr findet gemäß § 8 dieses Gesetzes mit der Maßgabe Anwendung, dass gleichwertige Tätigkeiten bei der Aktiengesellschaft als amtsgemäße Funktionen gelten. Diese Regelung stellt klar, dass auch im Bereich der Postnachfolgeunternehmen der Grundsatz der funktionsgerechten Ämterbewertung gilt, dessen Anwendung für die Erfüllung der Ansprüche auf amtsangemessene Beschäftigung erforderlich ist (Urteil vom 22.06.06 a.a.O. S. 187). Demnach umfasst der Anspruch die auf Dauer angelegte Übertragung einer gleichwertigen Tätigkeit im Sinne von § 8 PostPersRG bei einer Organisationseinheit der Telekom AG oder unter den Voraussetzungen des bei einem Tochter- oder Enkelunternehmen oder einer Beteiligungsgesellschaft. Die Gleichwertigkeit der einem Beamten übertragenen Tätigkeit bei einem Postnachfolgeunternehmen ist aufgrund eines Funktionsvergleichs mit den Tätigkeitsbereichen bei der Deutschen Bundespost zu beurteilen. Nur eine nach diesem Maßstab gleichwertige Tätigkeit ist eine amtsangemessene Beschäftigung im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG (Urteil vom 03.03.05 BVerwGE 123, 107 <113> zur inhaltsgleichen Regelung des Art. 1 für Bahnbeamte).

Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet die Telekom AG, den Anspruch eines Vivento zugewiesenen Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung zeitnah zu erfüllen, wenn er ihn geltend gemacht hat. Die Telekom AG darf dem Beamten weder entgegenhalten, er habe die Zuweisung nicht mit Rechtsmitteln angefochten, noch darf sie ihn auf den Verwaltungsrechtsweg verweisen und zuwarten, bis der Anspruch rechtskräftig festgestellt ist. Vielmehr muss sie den Beamten nach dem gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 PostPersRG anwendbaren § 26 Abs. 1 Satz 1 BBG von Vivento "wegversetzen" und unter Berücksichtigung seiner privaten Belange zu einer Organisationseinheit "hinversetzen", bei der er beschäftigt werden soll. Das dienstliche Bedürfnis für eine solche Versetzung ist gegeben, wenn sichergestellt ist, dass dem Beamten in dieser Organisationseinheit ein amtsangemessener Tätigkeitsbereich übertragen wird. Der Beschäftigungsanspruch kann auch durch eine Zuweisung gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 und 3 PostPersRG erfüllt werden, wenn die strengen Voraussetzungen dieser Regelungen erfüllt sind.

Die Telekom AG verletzt Art. 33 Abs. 5 GG, wenn sie Beamte, die amtsangemessen beschäftigt werden wollen, auffordert, sich an Bewerbungsverfahren für die Besetzung freier Stellen zu beteiligen. Das Verwaltungsgericht hat hierzu festgestellt, der Kläger könne bei Bewerbungen lediglich darauf hoffen, dass die ausschreibende Organisationseinheit zu seinen Gunsten entscheidet. Demnach ist mit diesen Bewerbungen lediglich die ungewisse Möglichkeit verbunden, einen dauerhaften Arbeitsplatz zu erhalten. Die Beamten werden durch Bewerbungsaufforderungen auf ein Auswahlverfahren mit verschiedenen um die Stelle konkurrierenden Bewerbern verwiesen, an dessen Ende eine Auswahlentscheidung zu Gunsten eines Bewerbers steht. Die ausgeschriebene Stelle wird mit dem erfolgreichen Bewerber besetzt; erfolglose Bewerber ohne Funktionsämter bleiben nach wie vor ohne amtsangemessene Beschäftigung.

Aus dem Urteil des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.09.04 - BVerwG 1 D 20.03 - ergibt sich nichts anderes. Danach umfasst der Begriff des Dienstes im Sinne von § 73 BBG und § 9 BBesG alle dem Beamten im Rahmen seines Dienstverhältnisses obliegenden Leistungen wie etwa Heimbereitschaften mit häuslicher Anwesenheitspflicht oder die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen. Dies gilt für Beamte wie den Kläger, denen ein amtsangemessener Tätigkeitsbereich auf unbestimmte Zeit vorenthalten wird, jedoch nur, solange sie die Bedingungen akzeptieren, die der Dienstherr für den Zustand der Beschäftigungslosigkeit aufgestellt hat. Sobald ein Beamter seinen Beschäftigungsanspruch geltend macht, trifft den Dienstherrn eine Bringschuld, deren Erfüllung er nicht unter Verweis auf die Regelungen für Beamte ohne amtsangemessene Beschäftigung hinausschieben darf.

b) Eine Dienstpflicht des Klägers, den Bewerbungsaufforderungen trotz ihrer Rechtswidrigkeit Folge zu leisten, ergibt sich auch nicht aus der Befolgungspflicht gemäß § 55 Satz 2 BBG. ...
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Amtsangemessene Tätigkeit

Grundlagen Einleitung statusrechtliches Amt Stellenbündelung Ausnahme § 26 BeaStatG Höherwertiges Amt zulässig? Dienstpostenbewertung Anspruch geltend machen
Rechtsprechung zur amtsangemessenen Beschäftigung Funktionsamt bei Telekom? Berlin 2008: Stellenpoolurteil BVerwG 2006: Vivento BVerwG 2011: Post Vivento: OVG Hamburg OVG Koblenz: Bahnbeamte Lehrer fachfremd eingesetzt



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