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Verwaltungsgerichtliches Eilverfahren im Konkurrentenstreit / ergänzende Hinweise

Handeln Sie bitte schnell, wenn Ihnen mitgeteilt wurde, dass Ihre Bewerbung erfolglos blieb!

Unter Umständen muss binnen 14 Tagen nach Bekanntgabe des Ergebnisses ein gerichtliches Eilverfahren angestrengt werden.

So lange - 14 Tage - soll der Dienstherr mit der Besetzung der streitgegenständlichen Stelle auf jeden Fall warten. Danach kann er die Stelle durch Beförderung des ausgewählten Beamten endgültig vergeben, sofern dieser die Voraussetzungen erfüllt.
In diesem Bereich gibt es aber immer wieder abweichende Entscheidungen, die sich auf die besonderen Umstände des Einzelfalles gründen. Auch das Bundesverfassungsgericht äußert sich nicht ganz konkret zur Länge der angemessenen Wartefrist.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - 2 BvR 706/09 - vom 09.07.09

Der Bewerbungsverfahrensanspruch kann verloren gehen, wenn Sie nicht handeln.

Wird ein gerichtliches Eilverfahren angestrengt, dann gilt:
"Der Dienstherr muss vor Aushändigung von Ernennungsurkunden grundsätzlich den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens nach § 123 VwGO auch ohne richterlichen Hinweis abwarten."
(Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Auflage 2020, RN 85 auf S. 86)
Aber auch hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen. Bisweilen erlassen die Verwaltungsgerichte alsbald nach Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einen sogenannten Zwischenbeschluss, um zumindest während der Dauer des Eilverfahrens die Beförderung des ausgewählten Beamten zu verhindern. Dies kann Anlass zu weiterem Streit bieten und die Dinge noch komplizierter gestalten.
Vergleichen Sie dazu bitte Dr. Markus Scheffer, "Zum Zwischenbeschluss im beamtenrechtlichen Konkurrentenverfahren", in: NVwZ 2004, 1081 ff.

Recht klar hat dies einmal das OVG Saarlouis dargestellt. Beschluss des OVG Saarlouis vom 30.03.06 - 1 W 19 / 2006 -
Das Bundesverwaltungsgericht hat später ein einer wegweisenden Entscheidung vom 04.11.10 geurteilt, dass u. U. sogar die voreilig erfolgte Beförderung des ausgewählten Beamten rückgängig gemacht werden könne.
Das war eine Sensation, denn bis dahin galt der Grundsatz der Ämterstabilität. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.11.10 - BVerwG 2 C 16.09 -
Sollte der Dienstherr so dreist sein, die Stelle durch Beförderung eines anderen / dritten Beamten voreilig zu vergeben, so kann versucht werden, die Beförderung des Dritten anzugreifen. Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt vom 06.09.21 - 5 M 58/21 -

Muss der Dienstherr vor Einleitung des Eilverfahrens "gewarnt" werden?

Nun, wir sind immer für eine vernünftige Kommunikation und es sollte sich im Regelfall von selbst verstehen, dass der unterlegene Beamte dem Dienstherrn seine Haltung darlegt.
Über Einzelheiten gibt es aber Streit. So kann lange darüber diskutiert werden, ob ein Widerspruch wirklich eingelegt werden muss, bevor ein Eilverfahren angestrengt wird. Wir halten das für sinnvoll, nach einigen neueren Entscheidungen kann man es vielleicht gar notwendig nennen.
Zugespitzt stellt sich diese Frage dort, wo das beamtenrechtliche Widerspruchsverfahren durch Landesgesetz abgeschafft wurde. Dort kann (bzw. muss) ggf. sofort Klage erhoben werden.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in einem Beschluss vom 12.07.12 - 6 S 5 / 12 -, abgedruckt u. a. in NvWZ-RR 2012 / 901 f. ausgeführt:

"Im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit ist ein nicht für eine Beförderung ausgewählter Beamter nicht verpflichtet, vor Beantragung einer einstweiligen Anordnung beim Dienstherrn eine Aussetzung der geplanten Beförderung des ausgewählten Bewerbers zu beantragen oder anzuregen."

Wir weisen aber demgegenüber auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hin, Beschluss vom 22.11.21 - 6 VR 4.21 -.

Wie ist es, wenn die Behörde anbietet, eine (andere) Stelle freizuhalten?

Darauf müssen Sie sich nicht unbedingt einlassen. Es geht im Regelfall nicht um irgendeine Stelle, sondern um eine bestimmte Einstellungs- oder Beförderungsmöglichkeit. Eine solche Zusage kann sich unter Umständen für Sie im Nachhinein aus rechtlichen Gründen als ungenügend erweisen. (Gleiches gilt natürlich noch viel mehr, wenn Ihre Vorgesetzten Ihnen "zusagen", Sie würden die nächste frei werdende Stelle erhalten.)


Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einem Beschluss vom 30.07.14 - 7 L 242.14 - die wohl immer noch mehrheitlich vertretene Auffassung wie folgt dargestellt:
Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 30.07.14 - 7 L 242.14 -

Zum anderen läge auch ein Anordnungsgrund vor, wenn der Antragsgegner Freihaltung einer Stelle bis zum Abschluss eines eventuellen Hauptsacheverfahrens zugesichert hätte. Er würde nicht dadurch entfallen, dass der Antragsgegner für den Fall des gerichtlichen Obsiegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren für ihn eine Ersatz- bzw. Reservestelle bereithält (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 23.04.12 – VGH 1 B 2284/11 –).
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegt es grundsätzlich nicht der Dispositionsbefugnis des Dienstherrn, für einen um Rechtsschutz nachsuchenden Bewerber eine andere als die zu besetzende Planstelle quasi als „Reserve“ freizuhalten und später mit dem im Auswahlverfahren zunächst unterlegenen Bewerber zu besetzen, wenn sich im Gerichtsverfahren die Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung herausstellen sollte.
Auch die anderweitige, freigehaltene Planstelle dürfte erst nach einem auf sie bezogenen Vergabeverfahren besetzt werden (BVerwG, Urteil vom 21.08.03 – BVerwG 2 C 14.02 –, Rn. 21). Der Bewerbungsverfahrensanspruch bezieht sich mithin auf die aktuelle Einstellungskampagne. Vor diesem Hintergrund trifft die Auffassung des Antragsgegners, zwischen dem Antragsteller und den Beigeladenen bestehe kein Konkurrenzverhältnis, nicht zu. Soweit sich der Antragsgegner in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 10.11.1993 (BVerwG 2 ER 301.93, Rn. 20 ff.) beruft, hat das Bundesverwaltungsgericht hieran nunmehr ausdrücklich nicht festgehalten (Beschluss vom 22.11.12 – BVerwG VR 5/12 –, Rn. 20).

Allerdings ist zu berichten, dass das Hamburgische Oberverwaltungsgericht im Jahr 2021 in zwei Fällen Eilanträge abgelehnt hat, nachdem der Dienstherr die Freihaltung einer Stelle mitgeteilt hatte. Wir werden das noch einarbeiten müssen, in der Tendenz entsprechen diese Entscheidungen der nachfolgenden:
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.08.20 - 4 S 1045/20 -

Zwar kommt die Freihaltung einer Reservestelle grundsätzlich nicht in Betracht und kann auf diese Weise in der Regel keine Erledigung eines beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahrens herbeigeführt werden, weil ein Dienstherr nicht über die Dispositionsbefugnis verfügt, ein ihm haushaltsrechtlich zugewiesenes öffentliches Amt ohne Ausschreibung bzw. ein den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Vergabeverfahren gewissermaßen „unter der Hand“ zu vergeben. Der Senat versteht jedoch die Schilderungen der Antragsgegnerin so, dass hier ausnahmsweise die strengen Voraussetzungen erfüllt waren, unter denen eine Freihalteerklärung in Betracht kommt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11.02.19 - 4 S 932/18 -, Juris Rn. 18 und vom 14.12.17 - 4 S 2099/17 -, Juris Rn. 5 f.).

Zu den Entscheidungen, die nur auf Freihaltung einer einzigen Beförderungsmöglichkeit erkennen, obwohl mehrere Stellen ausgeschrieben waren, gehören die beiden folgenden.
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.08.21 - 2 B 10820/21 -
Leitsatz
1. Um den Bewerbungsverfahrensanspruch des in einer Bewerberkonkurrenz unterlegenen Beamten im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichern, reicht die vorläufige Freihaltung nur einer Planstelle regelmäßig aus. Die exklusive Freihaltung einer weiteren Stelle für den unterlegenen Bewerber führt zum Wegfall eines Anordnungsgrundes hinsichtlich weiterer Freihaltungen von Beförderungsstellen, weil sie dem Bewerber eine hinreichend sichere Rechtsposition vermittelt und damit die Gefahr der Vereitelung von Primärrechtsschutz beseitigt.
2. Ein auf vorläufige Unterlassung der Beförderung sämtlicher Mitbewerber gerichteter Rechtsschutzantrag stellt sich als rechtsmissbräuchlich dar, wenn von vornherein ausgeschlossen ist, dass die Beförderung sämtlicher Mitbewerber den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt. Der Angriff auf eine größere Zahl von beabsichtigten Ernennungen von Mitbewerbern dient in einem solchen Fall ersichtlich nicht der Wahrung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des nicht ausgewählten Beamten, sondern soll erkennbar Druck auf den Dienstherrn ausüben (im Anschluss an BVerwGE 145, 112).

VG Kassel Beschluss vom 17.03.22 - 1 L 1830/21.KS -
Orientierungssatz:
 Vorläufige Freihaltung nur einer Stelle reicht grundsätzlich aus, um den Bewerbungsverfahrensanspruch eines Beamten zu sichern.

VG Koblenz, Beschluss vom 20.03.23 - 2 L 1060/22.KO -
Leitsatz
1. Der Antrag des Beamten bestimmt bei mehreren zeitgleich beabsichtigten Beförderungen, ob er die Beförderung nur eines ausgewählten Bewerbers oder aber mehrerer oder aller ausgewählten Bewerber angreift. Der Dienstherr ist deshalb aus Art. 19 Abs 4 GG grundsätzlich verpflichtet, vorläufig alle Beförderungen zu unterlassen, auf die sich der Antrag erstreckt. Anderes kann gelten, wenn der auf vorläufige Unterlassung der Beförderung einer Vielzahl von Mitbewerbern gerichtete Rechtsschutzantrag sich als rechtsmissbräuchlich darstellt (Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 - 2 VR 5/12 -). (Rn.4)
2. Stattgebender Beschluss betreffend eine Beförderungsrunde der Deutschen Telekom AG



► Fortsetzung der Erläuterungen: Eilverfahren / Teil 3
Arbeitsgericht oder Verwaltungsgericht / welches Gericht ist zuständig?
Die Position des ausgewählten Bewerbers (m/w/d). Beteiligung als Beigeladene(r)
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Konkurrentenschutz Konkurrentenschutz A - Z
Bewerbungsverfahrensanspruch
Organisationsentscheidung Organisationshoheit des Dienstherrn Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Auswahl unter BewerbernKonkurrenz nach Art. 33 II GG gesundheitliche Eignung Disziplinarverfahren Laufbahnbefähigung Beförderungsverbote Stehzeit im Amt als Voraussetzung Beförderungsplanstelle Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Leistungsprinzip Beurteilung als Grundlage Hochschulrecht / Professur Konkurrenz um Richterstelle § 9 BBG (und AGG) spezielle Gesetze Beförderungsrichtlinien
Die Handhabung faires Auswahlverfahren Stellenausschreibung Pflicht? Ausschreibung / Kriterien Ausschreibung/ Anforderungsprofil Das weitere Auswahlverfahren Bewerbungsfrist Auswahl- / Vorstellungsgespräch Assessmentcenter Persönlichkeitstest Abbruch des Auswahlverfahrens Mitteilung von Ablehnung
Was tun im Streitfall? Überprüfung ist eilig Akteneinsichtsrecht Inhalt der Akten Widerspruch und/oder Klage
Eilverfahren Eilverfahren im Beförderungsstreit Eilverfahren 3 Gerichtliche Zuständigkeit BVerfG - 2 BvR 1586/07 - BVerfG - 2 BvR 1846/07 - BVerfG - 2 BvR 706/09 Zum Anordnungsgrund BVerwG 10.05.16 - 2 VR 2.15 BVerwG 21.12.16 - 2 VR 1.16 - Sehr klar: VG Schleswig 12.09.19 VGH BW 27.07.16 OVG Lüneburg 03.01.17 OVG BB 05.01.17 VGH München 09.01.17 VGH Kassel 28.04.17 VG Wiesbaden 20.03.17 OVG Rh-Pf 05.05.17 Beteiligter im Eilverfahren Der / die Beigeladene
Weitere Informationen Mehrfachbewerbung des Beamten Bewährungsaufstieg Besondere Testverfahren? Persönlichkeitstest BIP Aufstieg nur für Ältere? Aufstieg: Länge der Dienstzeit Schadensersatz rechtswidrige Vergabe der Stelle Rechtsprechung Bundeslaufbahnverordnung






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