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Beförderung während laufenden Disziplinarverfahrens?

Eine Beförderung kommt nur in Betracht, wenn der Beamte in jeder Hinsicht geeignet erscheint.
Ein laufendes Disziplinarverfahren führt in der Praxis oft "automatisch" zum Ausschluss aus dem Auswahlverfahren.
Im Einzelfall kann das aber rechtswidrig sein.

Zum Einstieg ein kurzer Auszug aus den Rahmenrichtlinien für die Beförderungsauswahl in der Polizei des Landes Niedersachsen (Beförderungsrahmenrichtlinien — BefRiLiPol) RdErl. d. MI v. 14. 11. 16 — 25.22-03110-01.1 — — VORIS 20410 —:
"3. Beförderungshemmnisse
Im Rahmen der Auswahlentscheidung ist zu prüfen, ob einer Beförderung im Einzelfall Hemmnisse entgegenstehen. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
3.1 Dienstpflichtverletzungen
Die Disziplinarmaßnahmen Verweis oder Geldbuße als solche stehen einer Beförderung nicht entgegen. Dies gilt auch bei Vorliegen des Verdachts, ein Dienstvergehen begangen zu haben, oder bei einer sonstigen Entscheidung im vordisziplinaren Raum. Im Zusammenhang mit der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist zu berücksichtigen, dass Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte erfahrungsgemäß wegen ihrer spezifischen Tätigkeit auch aus unsachlichen Erwägungen angezeigt sein können.
Eine Beförderung kommt jeweils erst nach einer einzelfallbezogenen Prüfung in Betracht."

Ferner ein Auszug aus einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.05.21 - BVerwG 2 VR 2.21 -

"RN 15
a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Dies bedeutet, dass öffentliche Ämter nach Maßgabe des Bestenauslesegrundsatzes zu besetzen sind. Der Grundsatz gilt unbeschränkt und vorbehaltlos. Er dient primär dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Ämter des öffentlichen Dienstes und daneben auch dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Dem trägt er dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.12.08 - 2 BvR 2571/07 - NVwZ 2009, 389 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 20.06.13 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 20). Art. 33 Abs. 2 GG gibt die entscheidenden Maßstäbe für die Bewerberauswahl abschließend vor. Eine Auswahlentscheidung kann grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Dabei erfasst die Eignung im engeren Sinne insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind. Der in Ausfüllung des Begriffs der Eignung ebenso wie der Begriffe Befähigung und fachliche Leistung dem Dienstherrn eröffnete Beurteilungsspielraum unterliegt von Verfassungs wegen einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.05.13 - 2 BvR 462/13 - IÖD 2013, 182 <183> m.w.N.).
RN 16
b) Davon ausgehend ist in der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass der Dienstherr berechtigt ist, einen Beamten für die Dauer eines gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens wegen der damit begründeten Zweifel an dessen Eignung von einer möglichen Beförderung auszunehmen.
Der Dienstherr würde sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen, wenn er einen solchen Beamten vor der abschließenden Klärung des disziplinarischen Vorwurfs beförderte und damit die Eignung des Betreffenden für eine höherwertige Verwendung bejahte, obwohl er zuvor mit der Einleitung disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen gegeben hat, dass Anlass besteht, die Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden.

Sachwidrig ist der Ausschluss des Beamten aus dem Beförderungsauswahlverfahren allerdings dann, wenn angesichts der gegen ihn erhobenen Vorwürfe offensichtlich kein Anlass dafür gegeben war, in einem Disziplinarverfahren zu prüfen, ob er seine Dienstpflichten verletzt hat,
oder wenn das Disziplinarverfahren aus anderen Gründen missbräuchlich eingeleitet wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.05.1987 - 6 C 32.85 -, Beschluss vom 24.09.1992 - 2 B 56.92 -; OVG Weimar, Beschluss vom 16.10.07 - 2 EO 781/06 - juris Rn. 35; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.02.08 - 5 ME 504/07 - juris Rn. 3; OVG Magdeburg, Beschluss vom 03.03.14 - 1 M 18/14 - juris Rn. 7 m.w.N.; OVG Bautzen, Beschluss vom 09.10.13 - 2 B 455/13 - juris Rn. 21, 25; OVG Münster, Beschluss vom 24.03.16 - 1 B 1110/15 - RiA 2016, 222 <223> m.w.N.; OVG Koblenz, Beschluss vom 10.08.17 - 2 B 11299/17 - NVwZ 2017, 1556 Rn. 5 m.w.N.; VGH Kassel, Beschluss vom 08.05.18 - 1 B 2211/17 - ZBR 2019, 52 <53> m.w.N.).
Gleiches gilt, wenn bei Durchführung des Auswahlverfahrens schon erkennbar ist, dass das Disziplinarverfahren kurz vor der Einstellung steht, oder wenn ersichtlich ist, dass es mit einer Einstellung enden müsste (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 18.12.07 - 5 ME 351/07 - RiA 2008, 184 <185>; OVG Bautzen, Beschluss vom 09.10.13 - 2 B 455/13 - juris Rn. 25; OVG Münster, Beschluss vom 24.03.16 - 1 B 1110/15 - RiA 2016, 222 <223>).
RN 17
c) Gemessen daran ist die Entscheidung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden, den Antragsteller wegen des gegen ihn laufenden Disziplinarverfahrens nicht in den Leistungsvergleich der für das Beförderungsamt grundsätzlich für geeignet gehaltenen Bewerber einzubeziehen.
RN 18
Die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung über den Ausschluss des Antragstellers aus der Leistungsauswahl in einer den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG genügenden Weise im Auswahlvermerk dokumentiert und ermessensfehlerfrei getroffen.
RN 19
aa) Der gegen den Antragsteller gerichtete Verdacht eines Dienstvergehens war im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nicht offenkundig haltlos, sondern begründet und rechtfertigte die Aufnahme disziplinarischer Ermittlungen sowie den im Auswahlvermerk dokumentierten Schluss, dass Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers für das angestrebte Beförderungsamt bestehen, das mit Führungsfunktionen verbunden ist."

Aus einem Beschluss des Oberverwaltungsgericht NRW vom 24.05.22 - 1 B 475/22 -

2. Ohne Erfolg bleibt auch das Beschwerdevorbringen, das sich auf die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts bezieht, nach der der Antragsteller wegen des laufenden Disziplinarverfahrens auch bei einer erneuten, jeglichen Rechtsfehler meidenden Auswahlentscheidung chancenlos wäre.
12
Der im Auswahlverfahren unterlegene Bewerber kann im Falle einer fehlerbehafteten, sein subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzenden Auswahlentscheidung nur unter der weiteren Voraussetzung eine – mittels einer einstweiligen Anordnung sicherungsfähige – erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn er glaubhaft macht oder sich in Würdigung unstreitiger Sachumstände ergibt, dass seine Aussichten, in einem zweiten, rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. wenn seine Auswahl möglich erscheint.
Daran fehlt es, wenn die gebotene wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls klar erkennbar ergibt, dass der Rechtsschutzsuchende auch im Fall einer nach den Maßstäben der Bestenauslese fehlerfrei vorgenommenen Auswahlentscheidung im Verhältnis zu den Mitbewerbern chancenlos sein wird.

13
Vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. September 2002 – 2 BvR 857/02 –,  Rn. 13 f., und vom 25.11.15– 2 BvR 1461/15 –,  Rn. 19 f.; ferner etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 23.05.17 – 1 B 99/17 –,  Rn. 9 bis 13, vom 23.10.18– 1 B 666/18 –,  Rn. 32 f., und vom 24.02.22 – 1 B 1739/21 –,  Rn. 7 f., jeweils m. w. N.
14
Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der zukünftigen neuen Auswahlentscheidung einschließlich des dann aktuellen Beurteilungsbildes abzustellen.
15
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.04.16– 1 WB 27.15 –, Rn. 18 (zu militärischen Dienstposten), und Urteil vom 04.11.10– 2 C 16.09 –, Rn. 58 (für das Dienstrecht der Beamten und Richter); ferner OVG NRW, Beschlüsse vom 29.05.18 – 6 B 462/18 –, Rn. 17, vom 20.08.19 – 6 B 274/19 –, Rn. 49, vom 14.06.21 – 1 B 431/21 –,  Rn. 24, vom 29.07.21 – 1 B 1072/21 –,  Rn. 15 ff., und vom 24.02.22 – 1 B 1739/21 –,  Rn. 10 f., m. w. N. (jeweils für das Dienstrecht der Beamten und Richter).
16
Gemessen daran erscheint es auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ausgeschlossen, dass der Antragsteller bei einer erneuten, rechtsfehlerfreien Auswahlentscheidung zum Zuge kommen könnte. Die Antragsgegnerin wird ihn nämlich ... ohne Verletzung des ihr insoweit zustehenden Beurteilungsermessens
17
– zu diesem Ermessen vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 30.10.19 – 1 B 95/19 –,  Rn. 14 –
18
... wegen des laufenden Disziplinarverfahrens aus dem Bewerberkreis ausscheiden, ohne dass dies zu beanstanden sein wird.
19
Der Dienstherr ist nach der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig berechtigt, einen Beamten für die Dauer eines gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens wegen der damit begründeten Zweifel an dessen Eignung von einer möglichen Beförderung auszunehmen. Er würde sich nämlich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen, wenn er einen solchen Beamten vor der abschließenden Klärung des disziplinarischen Vorwurfs beförderte und damit die Eignung des Betreffenden für eine höherwertige Verwendung bejahte, obwohl er zuvor mit der Einleitung disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen gegeben hat, dass Anlass besteht, die Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden. Unzulässig ist der Ausschluss des Beamten aus dem Beförderungsauswahlverfahren allerdings ausnahmsweise dann, wenn er sachwidrig erfolgt. Das ist der Fall, wenn angesichts der gegen den Beamten erhobenen Vorwürfe offensichtlich kein Anlass dafür gegeben war, in einem Disziplinarverfahren zu prüfen, ob dieser seine Dienstpflichten verletzt hat, oder wenn das Disziplinarverfahren aus anderen Gründen missbräuchlich eingeleitet wurde. Gleiches gilt, wenn bei Durchführung des Auswahlverfahrens schon erkennbar ist, dass das Disziplinarverfahren kurz vor der Einstellung steht, oder wenn ersichtlich ist, dass es mit einer Einstellung enden müsste.

Literaturhinweis

In Heft 20/2017 der NVwZ finden Sie eine Entscheidung des OVG Koblenz vom 10.08.17 - 2 B 11299/17.OVG - mit einer Anmerkung von Dr. Bernd Wittkowski (NVwZ 2017, 1556 ff.). Das ist sicher ein guter Ausgangspunkt für weitere Recherchen.

Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

Recht aktuell ist ein Beschluss des Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23.10.19 – 6 B 1087/19 – mit dem Leitsatz:
"4. Der Ausschluss eines Beamten von Beförderungsverfahren wegen eines gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens ist im Regelfall durch den Beurteilungsspielraum des Dienstherrn gedeckt."
Sie finden den Beschluss im Internet.

Hinreichend aktuell ist auch eine Entscheidung des VGH Hessen vom 08.05.18 - 1 B 2211/17 -:
VGH Hessen, Beschluss vom 08.05.18 - 1 B 2211/17 -

Leitsatz:

1. Der Ausschluss eines Beamten von einem Besetzungsverfahren für ein Beförderungsamt kann ermessensfehlerfrei auf die Anhängigkeit eines gegen den Beamten geführten Disziplinarverfahrens gestützt werden, sofern nicht der gegen den Beamten gerichtete Verdacht des Dienstvergehens offensichtlich unbegründet ist oder das Disziplinarverfahren missbräuchlich eingeleitet worden ist, um eine Beförderung zu verhindern (Bestätigung: Hess. VGH, Beschluss vom 03.12.15 - 1 B 1168/15 -).
2. Ein (stellvertretender) Schulleiter an einer Grundschule, der wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung, begangen an seiner Ehefrau, (rechtskräftig) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, besitzt die charakterliche Eignung für dieses Amt nicht.

Eine Internetseite kann eine solche Problematik kaum umfassend darstellen.
Wir beschränken uns auf folgende Hinweise:
Das OVG NRW führt in einem Beschluss vom 08.03.17 zu dem Aktenzeichen 1 B 1354/16 aus:

"Ein gegen einen Beförderungsbewerber geführtes und noch nicht abgeschlossenes Disziplinarverfahren ist grundsätzlich geeignet, Zweifel an der persönlichen und namentlich charakterlichen Beförderungseignung dieses Bewerbers zu begründen und auch seinen Ausschluss aus einem Beförderungsverfahren zu rechtfertigen. In bestimmten Fallgruppen, wird allerdings angenommen, dass ein laufendes Disziplinarverfahren den Ausschluss aus dem Bewerberkreis nicht rechtfertigt.
Vgl. den Beschluss des Senats vom 24.03.16 – 1 B 1110/15 –, RiA 2016, 222 Rn. 12 ff., m.w.N. (dort auch zu – hier nicht einschlägigen – Gruppen von Ausnahmefällen).

Sind Sie betroffen, dann sollten Sie diese Entscheidung heranziehen, sie findet sich - ebenso wie die weiter oben erwähnte des 6. Senats des Gerichts - in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW.


Das OVG Berlin-Brandenburg formuliert den 2. Leitsatz eines Beschlusses vom 29.01.18 - OVG 4 S 41/17 -, in: ZBR 2018, 889 ff., wie folgt:

"2. Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen einen Bewerber belässt dem Dienstherrn einen Entscheidungs­spielraum darin. ob er den Kandidaten wegen Eignungszweifeln ausschließt. Ein Mitbewerber kann bei einer Ermittlung wegen fahrlässiger Körperverletzung nicht ohne Weiteres den Ausschluss verlangen."

Ganz kurz und knackig weist das Verwaltungsgericht Schleswig in einem Beschluss vom 22.02.17 mit dem Aktenzeichen 11 B 3/17 einen Antrag zurück:

10 Zur Begründung trägt der Antragsgegner u.a. vor, die Darstellung der Antragstellerin, der Dienstvorgesetzte habe zu verstehen gegeben, dass er beabsichtige, das Disziplinarverfahren einzustellen, sei unzutreffend. Es sei vielmehr um eine Beschleunigung des Verfahrens nach Abschluss der strafrechtlichen Bewertung gegangen. Unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung habe die Beamtin nach derzeitiger Aktenlage gegen ihre Pflicht zur Uneigennützigkeit nach § 34 Satz 2 BeamtStG i. V. mit dem Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen nach § 42 BeamtStG verstoßen. Das laufende Disziplinarverfahren rechtfertige, die Antragstellerin bei der Beförderung nicht zu berücksichtigen.
11 ...
12 ... Die Antragstellerin aufgrund eines noch nicht abgeschlossenen Disziplinarverfahrens nicht zu befördern, ist nicht rechtswidrig.
13 Es ist nicht nur üblich, sondern auch rechtlich begründet, einen Beamten für die Dauer eines gegen ihn laufenden Disziplinarverfahrens von einer an sich möglichen Beförderung auszunehmen. Denn der Dienstherr würde sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen, wenn er einen solchen Beamten vor der abschließenden Klärung des disziplinarischen Vorwurfs beförderte und damit die Befähigung und Eignung des Betreffenden für eine höherwertige Verwendung bejahte, obwohl er zuvor mit der Einleitung disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen gegeben hat, dass er Anlass sieht, die Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.05.1987 – 6 C 32/85 – juris Rn. 13, Beschluss vom 26.10.16 – 1 WDS-VR6/16 – juris Rn. 35). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn – was hier offen bleiben kann – das Disziplinarverfahren nicht entsprechend dem Beschleunigungsgebot durchgeführt, sondern unsachlich verzögert worden ist. Die aus den disziplinarrechtlichen Vorwürfen resultierenden Zweifel an der Eignung der Antragstellerin würden allein deshalb nicht entfallen. Im Falle einer Beförderung bliebe der Vorwurf eines widersprüchlichen Verhaltens des Dienstherrn bestehen. Danach kommt es auf die Frage, ob das Verhalten der Antragstellerin letztlich die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme rechtfertigt oder nicht, nicht an (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.09.11 – 6 B 975/11 – juris Rn. 5 m.w.N.; Beschluss der Kammer vom 16.02.12 – 11 B 97/11 -). Die Antragstellerin kann danach mit ihrem Vorbringen, das Disziplinarverfahren sei beschleunigt abzuschließen, in diesem Verfahren keinen Erfolg haben. Anhaltspunkte für eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Ausschluss von einer Beförderung sind hier nicht ersichtlich, insbesondere ist nicht erkennbar, dass das Disziplinarverfahren gegen die Antragstellerin missbräuchlich eingeleitet wurde.


Etwas ausführlicher hier eine ältere Entscheidung aus Hessen, nämlich jene, welche das selbe Gericht in der oben erwähnten Entscheidung vom 08.05.18 ausdrücklich bestätigt::

VGH Hessen, 03.12.2015 - 1 B 1168/15

Leitsatz:
1. Für die gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung über die Nichteinbeziehung eines Bewerbers in das Auswahlverfahren für ein Beförderungsamt gelten dieselben Maßstäbe wie für die Auswahlentscheidung selbst.
2. Ein Vermerk über die Nichteinbeziehung eines Bewerbers in die Auswahl für ein Beförderungsamt muss denselben formalen Anforderungen genügen wie ein Auswahlvermerk, d.h. es sind alle wesentlichen Gesichtspunkte für die Nichteinbeziehung zu nennen und ein Nachschieben von Gründen im gerichtlichen Verfahren ist unzulässig.
3. Wird die Entscheidung über die Nichteinbeziehung eines Bewerbers mit einem gegen ihn geführten Disziplinarverfahren begründet, muss erkennbar sein, dass die Entscheidung in zutreffender Kenntnis des disziplinarischen Vorwurfs und des wesentlichen Stands des Disziplinarverfahrens getroffen worden ist.

Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des VG Wiesbaden vom 03.06.15 - 3 L 1615/14.WI - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung abgeändert.

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zur Durchführung eines erneuten Auswahlverfahrens untersagt, die nach der Besoldungsgruppe A 13 bewertete Stelle der stellvertretenden Leitung der Sachrate Amtsdelikte/Interne Ermittlungen im Hessischen Landeskriminalamt mit dem Beigeladenen zu besetzen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 15.528,22 € festgesetzt.

Gründe
1 Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, die beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen.

2 ...

3 Die getroffene Auswahlentscheidung des Antragsgegners für die Besetzung des Dienstpostens der stellvertretenden Leitung der Sachrate Amtsdelikte/Interne Ermittlungen im Hessischen Landeskriminalamt (Besoldungsgruppe A 13) ist rechtswidrig, weil die Ermessensentscheidung des Antragsgegners, den Antragssteller wegen des gegen ihn zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung noch anhängigen Disziplinarverfahrens nicht in das Auswahlverfahren einzubeziehen, nicht ermessensfehlerfrei getroffen und begründet worden ist. Das hat das Verwaltungsgericht verkannt und ist mit der Beschwerdebegründung zu Recht gerügt worden. Dadurch ist der Antragssteller in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt, der gebietet, dass der Dienstherr über seine Bewerbung um das Beförderungsamt ermessensfehlerfrei nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung entscheidet.

4 Bei seiner Einschätzung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung der Bewerber verfügt derDienstherr über einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum (BVerfG, Beschluss vom 24.09.02 - 2 BvR 857/02 -).
Es ist von diesem Beurteilungsspielraum grundsätzlich gedeckt, einen Bewerber wegen eines gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens im Auswahlverfahren unberücksichtigt zu lassen ( BVerwG, Urteil vom 13.05.1987 - 6 C 32/85 - und Beschlüsse vom 24.09.1992 - 2 B 56/92 - und vom 03.09.1996 - 1 WB 20/96 , 1 WB 21/960).
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist dann anzunehmen, wenn der gegen den Beamten gerichtete Verdacht eines Dienstvergehens offensichtlich unbegründet ist oder das Disziplinarverfahren missbräuchlich eingeleitet wurde, um einen Beförderung zu verhindern (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.02.05 - 6 - 1946/04 - und vom 03.09.15 - 6 - 666/15 -).
Auch kann ein Disziplinarverfahren, welches kurz vor seiner Einstellung steht bzw. ohne Disziplinarmaßnahme enden wird, nicht zum Ausschluss eines Beamten aus dem Bewerberkreis führen (OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18.12.07 - 5 ME 351/07 - ).

Regelmäßig nicht geboten ist es hingegen, die dem Beamten mit dem Disziplinarverfahren zur Last gelegten Vorwürfe vorgreifend zu bewerten und auf dieser Grundlage festzustellen, wie dieses ausgehen wird (OVG NRW, Beschlüsse vom 12.12.11 - 6 B 1314/11 - und vom 03.09.15 - 6 B 666/15 -, Thüringer OVG, Beschluss vom 16.10.07 - 2 EO 781/06 -).

5 All das hat das Verwaltungsgericht erkannt, das Vorliegen eines Ausnahmefalls nach diesem Maßstab selbst geprüft und verneint. Im Anschluss hieran hat es festgestellt, dass es sich bei der Entscheidung, einen Beamten wegen eines anhängigen Disziplinarverfahrens vom Beförderungsverfahren auszunehmen, zwar um eine Ermessensentscheidung im Sinne des § 40 HVwVfG handele, die aber ermessensfehlerfrei ergangen sei, weil ein laufendes Disziplinarverfahren der Beförderung eines Beamten regelmäßig entgegen stehe und der Antragsgegner in dem Vermerk zum Ausschluss des Antragstellers vom 10.09.14 als auch im Widerspruchsbescheid zu erkennen gegeben habe, dass er sich bewusst gewesen sei, dass ihm bezüglich der Frage, ob der Kläger vom Beförderungsverfahren auszuschließen war, ein Ermessen zugestanden habe. Da der Antragsgegner zu Recht vom Regelfall eines Ausschlusses vom Auswahlverfahren bei gleichzeitig anhängigem Disziplinar­verfahren ausgegangen sei, habe es keiner weiteren Erwägungen bedurft.

6 Diese Vorgehensweise verkennt, dass die vorstehenden, vom Verwaltungsgericht zutreffend wiedergegebenen Grundsätze nur die Grenzen aufzeigen, in denen sich eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn über die Nichteinbeziehung eines Bewerbers um einen Beförderungsdienstposten als ermessensfehlerfrei darstellen kann, dies aber nicht notwendiger Weise tut. Da der Dienstherr bei seiner Einschätzung der Eignung über einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum verfügt, kann er einen mit einem laufenden Disziplinarverfahren belasteten Beamten von einem (Beförderungs-)Auswahlverfahren ausschließen, muss dies aber nicht. Ihm kommt für die Gewichtung der einzelnen Gesichtspunkte für Feststellung, ob er einen Beamten aufgrund einer durchgeführten disziplinarischen Untersuchung wegen der dadurch begründeten Zweifel an seiner Eignung von einer möglichen Beförderung ausschließen möchte, ein weiter Beurteilungsspielraum zu (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.12.11, a.a.O., OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03.03.14 - 1 M 18/14 - Rdnr. 6 m.w.N.). Damit hat der Dienstherr, nicht das Gericht, in einem ersten Schritt darüber zu entscheiden, ob ein mit einem Disziplinarverfahrens belasteter Bewerber in das Auswahlverfahren einbezogen wird. Da es sich insoweit ebenso um eine Ermessensentscheidung handelt wie bei der Auswahlentscheidung zwischen den für das Beförderungsamt in Betracht kommenden Bewerbern, übt der Dienstherr insofern gleichermaßen sein Auswahlermessen in Bezug auf den der weiteren Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Bewerberkreis aus. Daher gelten die hierzu entwickelten Maßstäbe der gerichtlichen Überprüfung (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.01.11 - 1 M 1/11 -) auch für den Ausschluss aus dem Bewerberkreis.

7 Maßgeblich für die Beurteilung des Gerichts hinsichtlich der Überprüfung, ob die schriftlich dokumentierte Ermessensentscheidung der Nichteinbeziehung eines Bewerbers in das Auswahlverfahren zu beanstanden ist, ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung (ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 12.12.11, a.a.O., Rdnr. 10; a.A. für den Fall der Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach der Auswahlentscheidung: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.05.15 - 10 B 10295/15 -, Rdnr. 8). Denn es kommt gerade auch in Bezug auf die Beurteilung der Frage des ermessensfehlerfreien Ausschlusses des Antragsstellers aus dem Auswahlverfahren wegen eines Disziplinarverfahrens auf die Erwägungen an, die der Dienstherr in Ausübung seines Verwendungsermessens und des ihm vorbehaltenen Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Eignung der Kandidaten angestellt hat. Mit dieser Entscheidung wird zugleich die Sach- und Rechtslage, die maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung ist, fixiert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.12.08 - 1 WB 19/08 -, Hess. VGH, Beschluss vom 21.10.13 1 A 1512/13.Z , OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.01.11 - 1 M 1/11 -, OVG Sachsen, Beschluss vom 15.03.10 - 2 B 516/09 -, OVG NRW, Beschluss vom 12.12.11, a.a.O., VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.04.11 - 4 S 353/11 -).
Der Vermerk über die Nichteinbeziehung des Antragsstellers in die Auswahl muss damit denselben formalen Anforderungen genügen wie ein Auswahlvermerk, d.h. es sind alle wesentlichen Gesichtspunkte für die Nichteinbeziehung zu nennen und ein Nachschieben von Gründen insoweit ist im gerichtlichen Verfahren unzulässig.
Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen - deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann - wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Ein Verstoß gegen diese Begründungpflicht verletzt den Bewerber in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG .

8 Daran gemessen genügt die Begründung über die Nichteinbeziehung des Antragsstellers in das Auswahlverfahren nicht den sich aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Anforderungen.

9 Im Auswahlvermerk vom 26.08.14 ist der Antragssteller trotz seiner fristgerechten Bewerbung um den Dienstposten schon überhaupt nicht als Bewerber aufgeführt, obgleich dies der Sache nach angezeigt gewesen wäre. Der Auswahlvermerk dient dazu, die ermessensfehlerfreie Auswahl des für den Dienstposten ausgewählten Bewerbers zu dokumentieren. Dazu gehört nicht nur die Darstellung des Leistungsvergleichs der im Verfahren verbliebenen Bewerber, sondern auch die Begründung für die Nichteinbeziehung eines Bewerbers aufgrund von Eignungszweifeln wegen eines anhängigen Disziplinarverfahrens.

10 Nichts anderes - Feststellung des Fehlens einer zureichend begründeten Ermessensentscheidung über den Ausschluss des Antragssteller aus dem Bewerbungsverfahren - ergibt sich auch unter Einbeziehung des Vermerks des Dienstherrn vom 10.09.14, in dem die Entscheidung über die Nichteinbeziehung des Antragsstellers in Auswahlverfahren gesondert begründet worden ist, und auch unter Einbeziehung des zeitnah ergangenen Widerspruchsbescheides des Antragsgegners vom 24.10.14; wobei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 23.06.15 - 2 BvR 161/15 -) bereits fraglich ist, ob dies im Widerspruchsbescheid mit heilender Wirkung nachgeholt werden kann. Sowohl der Vermerk vom 10.09.14 als auch der Widerspruchsbescheid vom 24.10.14 beschränken sich darauf, ausführlich, aber gleichwohl jeweils nur in allgemeiner Form die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze darzustellen, wann ein Bewerber wegen Anhängigkeit eines Disziplinarverfahrens von dem Auswahlverfahren ausgeschlossen werden kann. Ausführungen zur Begründung der eigentlichen Ermessensentscheidung, warum das konkret gegen den Antragssteller geführte Disziplinarverfahren in Ansehung des Inhalts und Stand des Verfahrens zum Ausschluss führt, fehlen bzw. sind nur floskelhaft in allgemeiner Form in der Begründung enthalten. So heißt es im Widerspruchsbescheid: "Es ist auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn regelmäßig dem Beamten das daraus [aus der Führung eines Disziplinarverfahrens] resultierende Risiko auferlegt wird; denn Disziplinarverfahren beruhen in der Regel auf Umständen, die in der Person oder doch in der Sphäre des betreffenden Beamten liegen. Es ist dem Dienstherrn nicht zuzumuten, seinerseits ein Risiko einzugehen und eine Beförderung auszusprechen, wenn Zweifel an der uneingeschränkten Förderungswürdigkeit aufgetreten sind (es folgt ein Rechtsprechungszitat)."

11 Sodann findet sich als auf den konkreten Fall angewandte Begründung des Ergebnisses sowohl im Vermerk vom 10.09.14 als auch im Widerspruchsbescheid Folgendes: "Festzuhalten ist, dass das Gewicht der erhobenen Vorwürfe und die zu erwartende bzw. hier verhängte Sanktion für den Eintritt des Beförderungshindernisses ohne Bedeutung sind. Es ist allein von Belang, dass das Verhalten des Beamten Anlass gegeben hat, die Möglichkeit einer disziplinarischen Sanktion welcher Art auch immer in Betracht zu ziehen. Mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens hat eine Behörde zu erkennen gegeben, dass jedenfalls ein Anlass zur Beanstandung des dienstlichen Verhaltens besteht, vor dessen abschließender Klärung eine Beförderung grundsätzlich ausscheidet (es folgt ein Rechtsprechungszitat)".

12 Zwar kann aufgrund dieser Darlegungen mit dem Verwaltungsgericht davon ausgegangen werden, dass sich der Dienstherr eines Ermessens zur (Nicht-)Berücksichtigung des Antragsstellers im Auswahlverfahren bewusst gewesen ist. Das genügt zur Darlegung einer ordnungsgemäßen Ermessenbetätigung hinsichtlich des Ausschlusses des Antragstellers aufgrund des in Rede stehenden Disziplinarverfahrens aber nicht. Eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung setzt voraus, dass sich der Dienstherr zunächst darüber Klarheit verschafft, welcher Vorwurf Gegenstand des Disziplinar­verfahrens ist und wie der Stand dieses Verfahrens ist, um beurteilen zu können, ob ein zeitnaher Abschluss unmittelbar bevorsteht oder ein jetzt schon ein offenkundiges Verfahrensergebnis im Sinne einer offensichtlichen Begründetheit oder Unbegründetheit des disziplinarischen Vorwurfs prognostizierbar ist. Anderenfalls kann die Frage, ob abweichend vom Regelfall ausnahmsweise doch eine Einbeziehung des Bewerbers in das Auswahlverfahren geboten ist bzw. diese nach Abwägung der Umstände erfolgen soll, nicht auf sachlich tragfähiger Grundlage entschieden werden. Dass dies im vorliegenden Fall - rechtzeitig - erfolgt ist, ist aufgrund des Fehlens individualisierter Ausführungen gerade nicht erkennbar. An keiner Stelle des Auswahlvermerks, des Vermerks vom 10.09.14 oder des Widerspruchsbescheid vom 24.10.14 wird auf dieses auch nur im Ansatz konkretisierend eingegangen. Weder wird der dem Disziplinarverfahren (zur Zeit der Auswahlentscheidung noch) zugrunde liegende disziplinarische Vorwurf wiedergegeben oder auch nur stichwortartig bezeichnet, noch finden sich irgendwelche knapp gehaltenen Ausführungen zum Stand dieses Verfahrens. Vielmehr lässt sich der hier im Vermerk und Widerspruchbescheid verwandte allgemeine Begründungstext dem Inhalt nach gleichsam als "Standardtext" für die Ablehnung der Einbeziehung eines mit einem Disziplinarverfahrens belasteten Bewerbers jedweder Art und jedweden Verfahrensstandes des Disziplinarverfahrens gebrauchen, selbst wenn der Abschluss des Disziplinarverfahrens in wenigen Tagen zu erwarten gewesen wäre oder die disziplinarischen Vorwürfe auch ohne weitere Prüfung jetzt schon als offenkundig unbegründet zu bewerten wären. Auch in abstrakter Form ist der rechtliche Maßstab für einen möglichen Ausnahmefall nicht dargestellt worden. Es fehlt jede auf den konkreten Fall auch nur knapp Bezug nehmende Begründung dazu, warum gerade für den Antragssteller sinngemäß der "Regelfall" des Ausschlusses aufgrund des geführten Disziplinarverfahrens bejaht wurde. Demensprechend fehlen auch Ausführungen dazu, ob der Antragsgegner die Möglichkeit des Vorliegens eines Ausnahmefalls aufgrund des Inhalts und Stand des Disziplinarverfahrens überhaupt in Betracht gezogen hat. Die in den vorzitierten Textpassagen wiedergegebenen Formulierungen "regelmäßig" / "im Regelfall" ohne eine anschließende knapp inhaltlich begründete Feststellung, dass und warum ein Ausnahmefall vorliegend nicht gegeben ist, lassen vielmehr Raum für die Vermutung, dass dies nicht erfolgt ist, sondern trotz der verbalen Bekundungen des Vorliegens einer Ermessensentscheidung der Spielraum für das Treffen derselben im vorliegenden Fall verkannt worden und von einem "Automatismus" der Nichtberücksichtigungsfähigkeit des Antragsstellers im Auswahlverfahren aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Disziplinarverfahrens ausgegangen worden ist. Jedenfalls lässt sich dem Auswahlvermerk, dem Vermerks vom 10.09.14 und dem Widerspruchsbescheid vom 26.10.14 jeweils nicht entnehmen, ob zu diesem Zeitpunkt überhaupt geprüft worden ist, welchen Stand das im Jahr 2010 eingeleitete Disziplinarverfahren hat und welcher disziplinarische Vorwurf nach mehreren Erweiterungsverfügungen und der im Juli 2014 inhaltlich weitgehenden Beschränkung des Disziplinarverfahrens zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch im Raum stand. Damit lässt sich nicht beurteilen, ob die Möglichkeit eines Ausnahmefalls überhaupt geprüft und ernsthaft in Erwägung gezogen worden ist.

13 Nähere individualisierende Ausführungen insoweit waren auch nicht wegen Offenkundigkeit des Gegenstands des Disziplinarverfahrens und der sich daraus für die Ermessensentscheidung der (Nicht-)Einbeziehung des Beamten in das Auswahlverfahren um den Beförderungsdienstposten ergebenden selbstverständlichen Folge entbehrlich. Dies ergibt sich daraus, dass das Disziplinarverfahren bereits im November 2010 eingeleitet, in den Folgejahren mehrmals um weitere Vorwürfe erweitert, und vor der Auswahlentscheidung (im Juli 2014) zum inhaltlich überwiegenden Teil beschränkt worden ist auf den Vorwurf der Erweiterungsverfügung vom 20.03.13. Diese ist im Wortlaut weder dem Gericht, noch nach Lage der beigezogenen Akten den Amtswalter des Dienstherrn, der mit der Entscheidung über die Nichteinbeziehung des Antragsstellers in das Auswahlverfahren betraut gewesen ist, bekannt (gewesen). Der nachfolgenden gerichtlichen Korrespondenz ist zu entnehmen, dass allein der disziplinarische Vorwurf "übrig geblieben" ist, dass der Antragssteller einen Aktenvermerk nicht in die Original-, sondern in eine Duploakte geheftet und dadurch Vorgesetzte wahrheitswidrig informiert haben sollte. In Ansehung dieses beschränkten Gegenstands, der aufgrund der Unübersichtlichkeit des bisherigen Verfahrensgangs schon nicht offenkundig zu Tage trat und dessen Bewertung als Dienstvergehen als nicht offenkundig feststehend zu betrachten ist, zumal bis dahin die Mehrzahl der mit dem mehrfach erweiterten Disziplinarverfahren erhobenen Vorwürfe nicht zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme geführt hatte, sowie der langen Zeitdauer des Disziplinarverfahrens, welches für den Antragsteller seit Jahren ein potentielles Beförderungshindernis dargestellt hatte, schien die Annahme der Ausnahme von der Regel, dass die Führung des Disziplinarverfahrens zum Ausschluss des Antragssteller aus dem Beförderungsverfahren führt, nicht offenkundig ausgeschlossen. Nähere Ausführungen zur Begründung insoweit über die gegebene formelhafte Darstellung waren daher im vorliegenden Einzelfall erforderlich.

14 Nicht zu berücksichtigen waren die im gerichtlichen Verfahren gemachten Ergänzungen hinsichtlich der Begründung der Entscheidung über die Nichteinbeziehung. Zwar können Ermessenserwägungen sowie Einschätzungen, bei denen ein Beurteilungsspielraum besteht, in entsprechender Anwendung des § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden. Hierzu gehört aber nicht die vollständige Nachholung der die Entscheidung tragenden Gründe, die bei der gerichtlichen Kontrolle der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigungsfähig sind ( BVerwG, Beschluss vom 16.12.08 - Az.: 1 WB 19.08 -, a.a.O. Rdnr. 46). Darum handelt es sich bei dem im gerichtlichen Verfahren unterbreiteten Vortrag des Antragsgegners. Denn mit ihm wird erstmals auf konkreten disziplinarischen Sachverhalt bezogen vorgetragen, während bis dahin im Verwaltungsverfahren hierzu überhaupt kein Vortrag erfolgt war, sondern nur allgemeingültige Aussagen zur im Ergebnis möglichen Berücksichtigungsfähigkeit eines Disziplinarverfahrens nach der einschlägigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung gemacht worden waren.


Zu einer ähnlichen Konstellation (Entscheidung über eine Umsetzung):

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.06.17 - 4 S 1055/17 -

30
1. Für die vorliegende, nicht statusrelevante Hin-Umsetzung kommt als Prüfungsmaßstab allein das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht (vgl. aber BVerwG, Urteil vom 19.11.15 - 2 A 6.13 -, Rn. 27, wonach mangels subjektiver Rechtsposition bei der ämtergleichen Umsetzung selbst das Willkürverbot nicht eingreifen soll). Dieses ist hier jedoch offensichtlich nicht verletzt. Mit der Entscheidung, förmliche disziplinarische Ermittlungen einzuleiten, hat der Dienstherr zu erkennen gegeben, dass er Anlass sieht, die Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Beamten zu beanstanden. In einer solchen Situation ist es zweifellos nicht willkürlich, wenn der Dienstherr während des laufenden Disziplinarverfahrens von der begehrten erneuten Übertragung der begehrten Funktion an den Antragsteller absieht, die er im Zeitpunkt der angeschuldigten Vorfälle innehatte. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob sich die Vorwürfe am Ende des Verfahrens als richtig oder aber als unzutreffend erweisen. Für die Nichtberücksichtigung einer Bewerbung genügt es als sachlicher Grund, dass damit eine Konstellation vorliegt, die die abschließende Entscheidung über die Eignung aktuell nicht zulässt (vgl. Senatsbeschluss vom 10.03.17 - 4 S 124/17 -; zu § 3 Abs. 1 SG vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.01.17 - 1 WB 47.15 -,).
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Konkurrentenschutz Konkurrentenschutz A - Z
Bewerbungsverfahrensanspruch
Organisationsentscheidung Organisationshoheit des Dienstherrn Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Auswahl unter BewerbernKonkurrenz nach Art. 33 II GG gesundheitliche Eignung Laufbahnbefähigung Beförderungsverbote Beförderungsplanstelle Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Einengung des Bewerberkreises Leistungsprinzip / Art. 33 II GG Beurteilung als Grundlage Hochschulrecht / Professur Konkurrenz um Richterstelle § 9 BBG (und AGG) spezielle Gesetze Beförderungsrichtlinien
Die Handhabung faires Auswahlverfahren Stellenausschreibung Pflicht? Ausschreibung / Kriterien Ausschreibung/ Anforderungsprofil Das weitere Auswahlverfahren Bewerbungsfrist Auswahl- / Vorstellungsgespräch Assessmentcenter Persönlichkeitstest Abbruch des Auswahlverfahrens Mitteilung von Ablehnung
Was tun im Streitfall? Überprüfung ist eilig Akteneinsichtsrecht Inhalt der Akten Widerspruch und/oder Klage Eilverfahren im Beförderungsstreit Der / die Beigeladene
Weitere Informationen Mehrfachbewerbung des Beamten Bewährungsaufstieg Besondere Testverfahren? Persönlichkeitstest BIP Aufstieg nur für Ältere? Aufstieg: Länge der Dienstzeit Schadensersatz rechtswidrige Vergabe der Stelle Rechtsprechung Bundeslaufbahnverordnung















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