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Zweifel an charakterlicher Eignung wegen laufenden Ermittlungsverfahrens


Auch der nachfolgenden Entscheidung liegt zugrunde, dass gegen den Kläger ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren anhängig ist und die Verwaltungsgerichte es nicht als ihre Aufgabe ansehen, anstelle der Staatsanwaltschaftschaft oder des Strafgerichts die Vorwürfe zu prüfen und über deren Berechtigung zu entscheiden.
Aus der Tatsache, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, ergeben sich Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers - und diese Zweifel lässt die Verwaltungsgerichtsbarkeit genügen für die Begründung der Ablehnung des Begehrens des Klägers, zum Beamten ernannt zu werden.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.03.17 - 4 S 124/17 -

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1. Die Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers als Beamter auf Probe liegt im pflichtgemäßen Ermessen des (künftigen) Dienstherrn. Die im Rahmen dieser Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen ist, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Tatbestand zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat. Dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn ist es auch überlassen, welchen (sachlichen) Umständen er bei Einstellung und Auswahl das größere Gewicht beimisst und in welcher Weise er den verfassungsrechtlichen Grundsatz des gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verwirklicht, sofern nur das Prinzip selbst nicht in Frage gestellt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 20.10.1983 - 2 C 11.82 -, BVerwGE 68, 109; vom 07.05.1981 - 2 C 42.79 -, Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 19; vom 22.02.1990 - 2 C 13.87 - Juris Rn. 23 ff.; Senatsbeschluss vom 07.05.03 - 4 S 2224/01 -, NVwZ-RR 2004, 199). Im Übrigen ist die Nachprüfung von ablehnenden Einstellungsbescheiden im Wesentlichen auf die Willkürkontrolle beschränkt. Denn es gibt keinen absoluten Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Art. 33 Abs. 2 GG regelt, dass jeder Deutsche „nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat“. Das Gericht kann eine angegriffene Einschätzung der Einstellungsbehörde hierzu nicht durch die eigene Einschätzung ersetzen. Aus demselben Grund kann das Gericht dem Bewerber in aller Regel auch nicht den direkten Zugang zum öffentlichen Dienst eröffnen, d.h. nicht zur Einstellung verurteilen, sondern allenfalls den Ablehnungsbescheid aufheben und die Verwaltung verpflichten, erneut über den Antrag auf Übernahme in den öffentlichen Dienst zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73 -, Juris Rn. 50).
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Nach alledem ist die Entscheidung des Antragsgegners hier nicht zu beanstanden. Denn zur Ablehnung der Einstellung genügen bereits berechtigte Zweifel des Dienstherrn daran, ob der Beamte die - auch charakterliche - Eignung besitzt, die für die Ernennung notwendig ist. Hierbei sind Zweifel im Sinne fehlender Überzeugung zu verstehen (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 49). Bei der angestrebten Einstellung als Polizeibeamter in den gehobenen Polizeivollzugsdienst darf der Antragsgegner die Fähigkeit und innere Bereitschaft des Bewerbers voraussetzen, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten (BVerfG, Beschluss vom 21.02.1995 - 1 BvR 1397/93 -, BVerfGE 92, 140; Senatsbeschluss vom 27.11.08 - 4 S 2332/08 -, Juris Rn. 5). Hieran hegt der Antragsgegner beim Antragsteller berechtigte Zweifel. Dabei braucht nicht entscheiden zu werden, ob diese Zweifel bereits (allein) an die Tatsache eines laufenden strafrechtlichen Verfahren geknüpft werden können (a.), weil jedenfalls die dem strafrechtlichen Verfahren zugrundeliegenden Tatsachen einen tauglichen Anknüpfungspunkt darstellen (b.).
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a. Es spricht einiges dafür, dass ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren (einen ersten) Anlass für berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Bewerbers hervorrufen kann. Angesichts der hohen Anforderungen an die charakterliche Eignung eines Polizeivollzugsbeamten (s.o.) erschiene es zumindest zweifelhaft, anhängige strafrechtliche (Ermittlungs-)Verfahren, die ggf. den Nachweis der (zunächst auf Zweifel gegründeten) fehlenden charakterlichen Eignung erbringen, außer Acht zu lassen. Anknüpfungspunkte für den Eignungszweifel ergeben sich aus dem - in aller Regel vom Verdächtigten zurechenbar herbeigeführten - Anfangsverdacht, welcher dazu geführt hat, dass überhaupt ein strafrechtliches (Ermittlungs-)Verfahren geführt wird. Abweichendes mag im Hinblick auf den durch Art. 33 Abs. 2 GG garantierten Bewerberverfahrensanspruch (nur) dann gelten, wenn der im strafrechtlichen (Ermittlungs-)Verfahren erhobene Vorwurf offensichtlich unbegründet ist oder das strafrechtliche (Ermittlungs-)Verfahren nicht durch den Bewerber zurechenbar veranlasst wurde, z.B. im Falle der missbräuchlichen Einleitung eines strafrechtlichen (Ermittlungs-)Verfahrens. Anhaltspunkte dafür, dass der gegen den Antragsteller erhobene Vorwurf eines Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz offensichtlich unbegründet ist, sind nicht ersichtlich; vielmehr ist gegen den Antragsteller zwischenzeitlich sogar ein Strafbefehl des Amtsgerichts T. vom 27.12.16 ergangen.
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b. Ob die fehlende charakterliche Eignung schon aufgrund des gegen den Antragsteller laufenden Ermittlungsverfahrens versagt werden durfte, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn der Antragsgegner hat - entgegen der Annahme des Antragsstellers - diese Zweifel nicht (allein) aus der Tatsache eines laufenden strafrechtlichen Verfahrens abgeleitet, sondern (auch) maßgeblich daraus, dass „aufgrund des [dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren] zugrundeliegenden Sachverhalts erhebliche in Tatsachen begründete“ Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeiberufs bestünden (Ablehnungsbescheid vom 24.03.16, S. 1 a.E.).
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Die Tatsache, dass das in Bezug genommene strafrechtliche Ermittlungsverfahren (zum Erlasszeitpunkt des Bescheids vom 24.03.2016) noch nicht abgeschlossen war, steht den aufgekommenen Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Antragstellers nicht entgegen. Denn der strafrechtlichen Unschuldsvermutung korrespondiert keine beamtenrechtliche Eignungsvermutung. Auch liegt in der damit verweigerten Einstellung (bzw. der der Sache nach vorgenommenen vorläufigen „Einstellungssperre“, vgl. den Hinweis im Bescheid vom 24.03.16 auf die mögliche (Wieder-)Einstellung und Ernennung zum Polizeikommissar für den Fall der Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens bzw. der Bestätigung der Unschuld) keine vorweggenommene „Bestrafung“ des Antragstellers vor. Denn dem Antragsteller ist es nach den insoweit überzeugend begründeten Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht gelungen, bestehende und begründete Zweifel an seiner Eignung auszuräumen. Der Senat schließt sich dem an.
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Ergänzend ist auszuführen, dass es dem Antragsteller oblegen hätte, die angesprochenen Zweifel eindeutig zu widerlegen. Dementsprechend war der Antragsgegner nicht verpflichtet, eigenständige (u.a. aufwendige) Ermittlungen oder gar (verfassungs-)rechtliche Prüfungen bezüglich des dem Antragsteller strafrechtlich vorgeworfenen Sachverhalts durchführen. Im Rahmen des hinsichtlich der charakterlichen Eignung bestehenden und gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums kann der Dienstherr beurteilungsfehlerfrei zu der Erkenntnis gelangen, einen Bewerber für die Dauer einer gegen ihn durchgeführten strafrechtlichen Ermittlung und eines sich gegebenenfalls anschließenden förmlichen Strafverfahrens als charakterlich ungeeignet anzusehen, bis der Dienstherr zu der Überzeugung gelangen kann (z.B. nach Nichterweislichkeit des vorgeworfenen strafrechtlich relevanten Sachverhalts, Einstellung der Ermittlungen bzw. des Strafverfahrens, Freispruch u.a.), dass der Bewerber (uneingeschränkt) geeignet ist. Es ist auch nicht beurteilungsfehlerhaft, wenn regelmäßig dem Bewerber das daraus resultierende Risiko auferlegt wird. Denn strafrechtliche Ermittlungsverfahren oder gar gerichtliche Strafverfahren beruhen in der Regel auf Umständen, die in der Person oder doch in der Sphäre des betreffenden Bewerbers liegen (zu Ausnahmefällen s.o.). Dem Dienstherrn ist nicht zumutbar, seinerseits ein Risiko einzugehen, einen (Polizeivollzugs-)Beamten auf Probe einzustellen, wenn Zweifel an dessen uneingeschränkter charakterlicher Eignung aufgetreten sind, die sich nicht haben ausräumen lassen und die keine ausreichende Überzeugungsbildung des Dienstherrn hinsichtlich der charakterlichen Eignung zulassen.
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Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Einstellung des Antragstellers wegen fehlender charakterlicher Eignung abgelehnt hat, ohne sich (noch) eingehender mit den gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahren auseinanderzusetzen. Jedenfalls lässt sich - bezogen auf die Maßstäbe eines die Hauptsache vorwegnehmenden gerichtlichen Eilrechtsschutzes - nicht mit dem erforderlich hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ein diesbezüglicher Anordnungsanspruch des Antragstellers auf Einstellung feststellen. Der zwischenzeitlich ergangene Strafbefehl illustriert die von dem Antragsgegner (gestützt auf die dem bloßen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zugrundeliegenden Tatsachen) gehegten Zweifel an der charakterlichen Eignung. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Antragsgegner diese im Rahmen der noch ausstehenden Widerspruchsentscheidung mit berücksichtigen wird.
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2. Unabhängig davon, ob - wofür Einiges spricht - das Schreiben des Antragsgegners vom 28.01.2016 als Zusicherung im Sinne von § 38 LVwVfG qualifiziert werden kann, wäre nach den insoweit überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, die Bindungswirkung einer solchen Zusicherung jedenfalls nach § 38 Abs. 3 LVwVfG weggefallen. Hiermit setzt sich die Beschwerdebegründung nicht hinreichend substantiiert auseinander, sondern verweist darauf, dass weder ein Widerruf noch eine Rücknahme der Einstellungszusage erfolgt sei bzw. darauf, dass in Zusammenhang mit dem Widerruf der Einstellungszusage keine ausreichenden (eigenen) Feststellungen seitens des Antragsgegners getroffen worden seien. Insoweit aber kann auf die Ausführungen unter 1. verwiesen werden.
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